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Angsthund – Hilfe, mein Hund hat Angst!
Angsthund, unsicherer Hund, panischer Hund – es gibt viele Ausprägungen von Angst, die häufig ähnliche Symptome zeigen.
Ein Hund aus dem Tierheim oder ein Hund aus dem Ausland zeigen oftmals keine Probleme (auch in Übergangsstationen) mit Menschen oder anderen Hunden. Der Umzug in die neue Familie, das neue Umfeld und die neuen Sozialpartner können den Hund jedoch sehr überfordern. Plötzlich zeigt er, entgegen seinem zuvor unauffälligen Verhalten, Unsicherheiten oder Ängste. Auch Aggressionen gegenüber anderen Menschen oder Hunden sind dabei nicht selten.
Für alle Besitzer von Hunden, insbesondere Angsthunden, ist es wichtig, die Körpersprache des Hundes richtig zu deuten und angemessen zu reagieren, wenn der Hund Unsicherheiten oder Ängste zeigt. Viele Beißvorfälle oder unschöne Zwischenfälle könnten dadurch verhindert werden.
Anzeige / Affiliate Links / Letzte Aktualisierung am 30.10.2024
Differenzierung Angst / Unsicherheit / Furcht
Unsicherheit
Unsicherhei bedeutet, dass dein Hund in ihm unbekannten Situationen eher zögerlich und zurückhaltend unterwegs ist. Es beschreibt lediglich die Persönlichkeit deines Hundes und ist nicht automatisch mit Angst gleichzusetzen. Dein Hund ist lediglich nicht so souverän wie andere Hunde. Dennoch kann ein unsicherer Hund durch unangenehme Erfahrungen und einen falschen Umgang durch den Besitzer auch Ängste entwickeln.
Angst
Ein Hund, der wirklich Angst hat, lebt in einem Zustand von ständiger Anspannung und Wachsamkeit. Auch wenn gar keine reale Bedrohung vorhanden ist. Bei akuter Angst ist der Hund nahezu handlungsunfähig. Er verweigert meist jegliches Futter, ist durch seinen Besitzer nur noch sehr eingeschränkt oder auch gar nicht mehr ansprechbar. Bei einem Angsthund ist Lernen ist in diesem akuten Zustand der Angst ebenfalls nicht mehr möglich.
Furcht
Furcht ist im Gegensatz zur Angst auf ein konkretes Objekt, z.B. eine Mülltonne oder eine konkrete Situation, z.B. Angst vorm Autofahren, bezogen. Das aktive Stresssystem wird aktiviert und schüttet unter anderem die Stresshormone Noradrenalin und Adrenalin aus. Diese bereiten den Hund, je nach Situation, auf Flucht oder Kampf vor. Sobald die Bedrohung weg ist, klingen die körperlichen Symptome in der Regel zeitnah ab und der Hund geht wieder in den Normalzustand über.
Unglücklicherweise wirkt Noradrenalin als Lernverstärker. Schlägt dein Hund einen anderen Hund erfolgreich in die Flucht, so wird dies im Gehirn deines Hundes als Erfolgsmodell „Angriff ist die beste Verteidigung“ abgespeichert. Auf Dauer wird diese Strategie immer öfter abgerufen – egal, ob der andere Hund freundliche Absichten hat oder nicht.
Angsthund – Körpersprache richtig lesen
Der ganze Körper des Angsthundes strahlt Unwohlsein aus. Die typischen Anzeichen bei aktuem Angstzustand bei Angsthunden sind:
- die ganze Körperhaltung ist geduckt
- die Rute wird sehr weit unten getragen oder ist eingeklemmt
- der Rücken ist rund
- die Ohren nach hinten angelegt
- die Augen aufgerissen, sodass man oftmals das Weiß der Pupille sieht
Der Hund signalisiert mit seinem ganzen Körper, dass er gerade Abstand benötigt und weder angestarrt noch angefasst werden möchte.
Angsthund aktiv trösten?
Der Mensch sieht leider nur das, was er sehen möchte: ein trauriges Häufchen Elend. Er möchte den Angsthund trösten und kommt ihm dafür viel zu nahe. Hilflos, dass Signale des Angsthundes missachtet werden, bleibt dem ängstlichen Hund dann letztlich keine andere Möglichkeit. Er beginnt zu Schnappen oder Beißen, woraufhin der Mensch erschrocken zurückweicht. Der Angsthund speichert dabei ab, dass Schnappen oder Beißen eine für den Menschen verständliche Art der Kommunikation ist. Da diese in dem Moment zielführend war (Mensch hat sich entfernt), wird er diese in Zukunft häufiger nutzen.
Besser so:
Wirf in Zukunft also bitte all deine menschlichen Interpretationen über Bord und gehe auf die realistisch gezeigten Signale deines ängstlichen Hundes ein. Gib deinem Hund stillschweigend Abstand, richte deinen Körper eher seitlich aus oder wende deinem ängstlichen Hund den Rücken zu. Eine frontale Ausrichtung auf deinen Hund wirkt bedrohlich auf ihn. Ob und wann dein Hund sich dir nähert bestimmt dein Hund und nicht du.
Beginnt dein Hund nun vorsichtig an dir zu schnüffeln, bedeutet das nicht, dass du ihn nun streicheln darfst. Schnüffeln heißt lediglich: „Ich hole mir mal eben ein paar Informationen über dich!“. Erst nach dem Schnüffeln zeigt dir dein Hund wofür er bereit ist. Entfernt er sich, so gib ihm noch mehr Zeit und Abstand. Schmiegt er sich nach dem Schnüffeln an dich, so streichle ihn langsam und sehr ruhig.
Sofern dein Hund so starke Ängste hat, dass er trotz deiner deeskalierenden Körpersprache regelrecht vor dir flüchtet, such dir bitte unbedingt Unterstützung bei einem Fachmann vor Ort.
Hinweis
Nicht jeder ängstliche Hund sollte pauschal ignoriert werden. Sofern dein Hund deine soziale Unterstützung und Nähe aktiv sucht, muss er sich bei dir anlehnen dürfen und Schutz bekommen. Schnelles Streicheln mit den Fingerspitzen ist tabu, da es nicht entspannend, sondern anregend wirkt. Betont langsames Streicheln mit der flachen Hand im Brustbereich wirkt auf viele Hunde dagegen entspannend.
Ebenfalls hilfreich ist, die Nase deines Hundes mit einem schmackhaften Stück Futter zu aktivieren, allerdings ohne es deinem Hund aufzudrängen. Selbst wenn dein ängstlicher Hund es nicht fressen möchte, wird bei der Verarbeitung vom Geruch ein großer Teil des Gehirns benötigt. Der Hund kann sich dadurch nicht mehr zu 100% auf seine Angst konzentrieren.
Bei deiner sozialen Unterstützung wird übrigens das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Es spielt eine sehr wichtige Rolle in der Beziehung zwischen Mensch und Hund und fördert Bindung und Vertrauen. Es ist der Gegenspieler des Stresshormons Cortisol und wirkt damit stressdämpfend.
Angsthund – Trainingshinweise
Ein Hund, der aus Angst heraus aggressive Verhaltensweisen zeigt, sollte niemals eine negative Einwirkung von dir bekommen. Das ist wirklich wichtig zu wissen und ich verdeutliche das Ganze nun mal anhand eines Beispiels:
Dein Hund bellt, aufgrund fehlender oder negativer Erfahrungen mit Menschen, deinen Besuch an. Er bekommt dafür jedes Mal eine Wasserdusche von dir ab und wird obendrauf noch kräftig ausgeschimpft. Dieses Hinzufügen von Bestrafung wird im Fachjargon als positive Strafe bezeichnet.
Mögliche Trainingsergebnisse bei positiver Strafe:
1. Dein Hund hört tatsächlich auf zu bellen, weil er zusätzlich zur Angst vor dem Besuch nun auch noch Angst vor deiner negativen Einwirkung hat. Der Vertrauensverlust zwischen dir und deinem Hund ist dabei enorm. Du als Bezugsperson verstehst den eigentlichen Beweggrund deines Angsthundes gar nicht. Du siehst in dem Moment einfach nur aggressives Verhalten deines Hundes, welches deiner Meinung nach unterbunden werden muss!
2. Dein Hund wird mit der Zeit immer aggressiver gegenüber Besuchern. Es erscheint nicht nur der beängstigende Besuch auf der Bildfläche, sondern du reagiertst frustriert und aggressiv gegenüber deinem Hund. Aus Sicht deines Hundes hat dein aggressives Verhalten ebenfalls etwas mit dem Besuch zu tun. Besucher werden logischerweise zu einem immer größeren Stressfaktor für deinen Angsthund.
Natürlich muss auch ein unsicherer oder ängstlicher Hund Grenzen gesetzt bekommen, wenn er unerwünschtes Verhalten zeigt. Unsicherheit oder Angst ist keine Entschuldigung für aggressives Verhalten. Der Umgang mit deinem ängstlich/unsicheren Hund sollte jedoch immer durch Ruhe und Bestimmtheit geprägt sein. Anschreien, Leine rucken, Rütteldose und Co sind absolut tabu. Vielen Angsthunde hilft eine angebotene Alternative, mit der sie sich in der für sie stressigen Situation beschäftigen können. Schau dir dazu unseren Beitrag „Hilfe! Mein Hund bellt, wenn es klingelt!“ an.
Keinerlei Fortschritte trotz Training?
Solltest du bereits seit einer ganzen Weile mit deinem Angsthund trainieren, auch mit Unterstützung von Hundetrainern, der Erfolg will sich aber nicht einstellen, überprüfe bitte Folgendes:
- Schau dir die Zusammensetzung des Futters für deinen Hund genauer an. Wie du diese richtig liest und verstehst, findest du in unserem Beitrag „Trockenfutter für Hunde – So erkennst du gutes Hundefutter„. Ein hoher Getreide-Anteil im Futter ist gerade bei Angsthunden eher kontraproduktiv. Denk in diesem Fall über eine Futterumstellung nach.
- Lass den Hund tierärztlich durchchecken. Ein dauernd unter dem Stresshormon Cortisol stehender Hund, zeigt nicht nur Auffälligkeiten im Verhalten. Weitere Folgend können auch körperliche Erkrankungen sein. Schau dir das Fell deines Angsthundes genauer an. Wirkt es eher stumpf und kahlstellig? Spezielle Tierärzte bestimmen hierzu den Hormonstatus des Hundes und untersuchen die Schilddrüsenfunktion genauer.
Empfehlungen
Der Umgang mit einem ängstlichen oder unsicheren Hund kann hier natürlich nicht mit all seinen Facetten beschrieben werden. Such dir darum bitte vor Ort Unterstützung von einem/-r Hundetrainer*in, damit du die Situation zwischen dir und deinem Hund nicht unwissentlich verschlimmerst.
Auch der Einsatz von ätherischen Ölen oder pflanzlichen Präparaten kann entspannend wirken und eine hilfreiche Ergänzung für das Training sein. Informiere dich diesbezüglich bei einem Tierarzt deines Vertrauens.
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